Vorlesung Keio 2003/2004
Kanon und Geschichte der deutschen Literatur
Die gegenwärtige Krise der Germanistik kann an der geschrumpften Geltung ihres literarischen Kanons im Gedächtnis der Gebildeten bewußt gemacht werden: "Viel wird geforscht, wenig gelesen." (Heinz Schlaffer) Während die Geschichte der deutschen Literatur durch Edition, Kommentar und Interpretation immer peinlicher archiviert wird, schwinden umgekehrt in der lesenden Öffentlichkeit Sinn und Verständnis für literarische Traditionen. Der deutsche Sonderfall einer (gegenüber Frankreich, England, Spanien, Italien) verspäteten Nationalliteratur? Kanon und Geschichte der deutschen Literatur gehen auf die Romantik und das frühe 19.Jahrhundert zurück: Germanistik als neue Nationalphilologie konstruierte damals nicht nur die über tausendjährige Geschichte der deutschen Literatur, sondern stiftete auch den ausgewählten Kanon der deutschen Klassiker ( von Lessing und Herder bis Goethe und Schiller ), der im 20.Jahrhundert durch "moderne Klassiker" ergänzt wurde. In der Vorlesung soll der Besonderheit von Geschichte und Kanon der deutschen Literatur nachgegangen werden, was Fragen nach Entstehung, Fortdauer und Ende (?) einschließt.
Zur Einführung empfohlen: Heinz Schlaffer, Die kurze Geschichte der deutschen Literatur, Carl Hanser Verlag, München/Wien 2002.
Texte und Materialien werden zur Verfügung gestellt.