Für eine transkulturelle Literaturwissenschaft. Thesen
Die Frage „Kulturwissenschaft versus Philologie?“ kann als Aufforderung zur Selbstreflexion verstanden werden, nach den inhaltlichen und methodischen Erweiterungen des literaturwissenschaftlichen Untersuchungshorizontes, den die neuen kulturwissenschaftlichen Ansätze vielfältig durchgesetzt haben, die eigene – philologische – Praxis in Forschung und Lehre besser zu konturieren. Orientierung in diesem Sinne soll hier durch eine pointierte Thesenform versucht werden. Die Unübersichtlichkeit der Situation und die Dringlichkeit des Anliegens lassen auf umständliches Argumentieren und uneigentliches Referieren von Stichworten wie Stichwortgebern verzichten. Daß mein Beitrag gleichzeitig von einer – gewiß wünschenswerten - Erläuterung an konkreten Beispielen aus der philologischen Praxis weitgehend absieht, bleibt als selbst auferlegte Beschränkung durchaus bewußt. Die nachfolgenden 9 Thesen „für eine transkulturelle Literaturwissenschaft“ sind aus der Reflexion auf meine Erfahrungen in Forschung und Lehre an Universitäten in Deutschland, Frankreich und Japan hervorgegangen, auch wenn dieser biographische Zusammenhang an den Thesen selber (durch deren Thesenform eben!) kaum noch ersichtlich scheint. Gleichwohl mag ihr möglicher Perspektivismus getrost solchen Zufälligkeiten des (akademischen) Lebens, die immer auch (wissenschaftliche) Einseitigkeiten produzieren, angekreidet werden. Ich begnüge mich damit vorauszuschicken, daß ich in Deutschland das Fachgebiet "Neuere deutsche Literatur und Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft" vertreten und in Frankreich Deutsche Sprache, Literatur und Kultur ("Civilisation") gelehrt habe; schließlich, daß ich gegenwärtig für Deutsche Literatur im Bungakubu (Faculty of Letters) der Keio-Universität Tokyo zuständig bin.